Der etwa 1,5 ha große jüdische Friedhof liegt im Westen der Stadt, im Stadtteil Altendorf.Im Februar 1878 erwarb die Beerdigungsbruderschaft »Chewra Kadischa« in Altendorf ein Gelände zur Errichtung einer Begräbnisstätte. Am Tag der Weihe des Friedhofes, es war der der 5. Mai 1878, fand auch die erste Bestattung statt. Vier Jahre später wurde eine schlichte Trauerhalle errichtet. Im Herbst 1885 wurde mit der Konstituierung der Gemeinde, der Friedhof in deren Zuständigkeit überführt.
Insgesamt gibt es heute auf dem historischen Teil des Friedhofes etwa 1.250 Grabstellen (darunter 80 Erbgrabstätten, in denen Industrielle, Künstler und bekannte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe gefunden haben). Der Friedhof ist in sieben Gewanne eingeteilt. Im Gewanne G befinden sich die Gräber von orthodoxen Juden, Kindergräber befinden sich im Gewanne E. Die Ehrenreihe der Rabbiner trägt den Buchstaben F und die älteste Grabsteine stehen im Gewanne D Der Friedhof wird bis heute für Beerdigungen genutzt.
Jüdische Friedhöfe werden im Hebräischen als »Haus der Ewigkeit«, »Haus des Lebens«, oder als »Der Gute Ort« bezeichnet. Die Gräber sind für die Ewigkeit angelegt und das Grabmal gehört für immer dem Verstorbenen. Die Begräbnisstätten sind kunstgeschichtliche Zeugnisse, man kann sie auch als steinerne Urkunden bezeichnen. Heinrich Heine schreibt in seinen Reisebilder Deutschland »Unter jedem jüdischen Grabstein liegt eine Weltgeschichte«.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 nahm die Entrechtung, die Diskriminierung und Verfolgung der Gemeindemitglieder stetig zu. Nach 1935 wurde mit dem Erlaß der Nürnberger Gesetze, das jüdische Leben in Chemnitz immer schwerer. Im Oktober 1938 fand die sogenannte Polenaktion statt, jüdische Bürger die aus dem Osten stammten verloren die Deutsche Staatsbürgerschaft und wurden über die Grenze nach Polen abgeschoben. Am 09. November 1938 wurde die Synagoge am Stephansplatz von SA Angehörigen in Brand gesetzt. Ab Frühsommer 1939 dürfen jüdische Kinder nicht mehr die Schule besuchen, auf dem Friedhof wird eine Baracke errichtet und Schulunterricht abgehalten. Das Gemeindebüro wird geschlossen und die Akten der Gemeinde in der Trauerhalle eingelagert. Leider sind in dieser Zeit wertvolle Akten und Listen vernichtet worden. Mit der Kürzung der Lebensmittelrationen, werden auf den nicht genuzten Flächen des Friedhofes Gemüse angebaut, um das Überleben abzusichern.
Die NS-Behörden beschlagnahmten im Juni 1943 den »Guten Ort« mit dem barbarischen Plan, ihn einebnen zu lassen und Kapital aus dem Verkauf der Grabsteine zu schlagen. Beerdigungen wurden kaum noch durchgeführt und 1944 verpachtet die Stadt den Friedhof an die Auto- Union um auf dem Friedhofsgelände Splittergräben anzulegen. Durch das nahende Kriegsende wurde dieser Plan vereitelt. Der Friedhof wurde seit seinem Bestehen mehrfach geschändet[1] (1945, 1964, 1982, 1986, 1994, 2019, 2021), insgesamt wurden über 80 Grabsteine in Mitleidenschaft gezogen, die Spuren kann man heute noch sehen. Leider wurden im Jahr 2019 durch Buntmetalldiebstahl über 15 Erbgrabstätten beschädigt. Durch rohe Gewalt wurden im Juli 2021 drei Kindergrabsteine umgestürzt.
Herr Adolf Diamant ist 1924 in Chemnitz geboren, 1938 wurde er mit seinen Verwandten in der »Polenaktion« nach Polen abgeschoben. Er hat als einziger in seiner Familie den Holocaust überlebt. Ihm ist es zu verdanken, dass 1985 der jüdische Friedhof in Chemnitz, auf Grund seiner geschichtlichen Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Um vom Verfall bedrohte Gräber zu retten, setzt sich der Freundeskreis der Jüdischen Gemeinde Chemnitz bereits seit 2014 für die finanziellen und technischen Belange der Restaurierung ein. Seit 2014 sind über 500 Grabsteine und 15 Erbbegräbnisse vor dem Verfall gerettet wurden.
[1] Adolf Diamant, »Geschändete Jüdische Friedhöfe in Deutschland 1945 bis 1999«. Verlag für Berlin-Brandenburg GmbH, Potsdam. Hrsg. Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam Universität Potsdam 2000.
»Juden In Chemnitz«. Hrsg. Jüdische Gemeinde Chemnitz. Sandstein Verlag Dresden 2002.
»Spurensuche« Jüdische Mitbürger in Chemnitz, Hrsg. Stadtarchiv Chemnitz 1999.